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Tragödie und Befreiung

Artikel-Nr.: 004
Tragödie und Befreiung
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Inhalt

 

    Vorwort    9

    Einleitung: Der israelische Gandhi     14

Teil A    Tragödie

1    Wer ist ein Jude?     20

2    Warum «Heiliges» Land?     23

3    Die jüdische Mutter     25

4    Felix Bartholdy    27

5    Von der Religion zur Ethnie    29

6    Tora, Talmud und Messias     33

7     Antisemitismus (1)    40

8    Antisemitismus (2)    47

9    Zionismus     52

10    Christlicher Zionismus in England     54

11    Christlicher Zionismus in den USA    57

12    Jüdischer Zionismus    59

13    Ein Volk, eine Sprache, ein Staat    65

14    Netanjahu 2016, 2024    68

15    Strategische Partner     72

16    Antisemitismus (3)    76

17    Alle Mann an Bord    78

18    Israel – ein Segen, dass es dich gibt!    80

19    Der neue Tempel    84

20    Schatten eines großen Lichts    86

21    Rudolf Steiner über die Wiederkunft Christi    88

22    Der «Neue» Jude und sein Staat    92

23    1917 - 1945    95

24    Zionismus 1933 - 1945     98

25    Vorbereitung auf den Krieg von 1948        102

26    1947-1948    105

27    Die Nakba    112

28    Das Thema «Nakba» in Israel.     115

29    1967     117

30    Die Siedlungen im Westjordanland    123

31    Die PLO-Charta     126

32    Jeschajahu Leibowitz – das Gewissen Israels    128

33    Militarisierte Früherziehung    131

34    Wurzeln der Hamas in Erfahrungen in den USA    137

35    Zwischenbetrachtung    143

36    «Erkenne dich selbst.»     145

37    1973 bis 2023    147

38    Operation «Gegossenes Blei»    155

39    7. Oktober 2023 (1)    162

40    7. Oktober 2023 (2)    166

Teil B    Befreiung

1    Die Realität mit eigenen Augen sehen    170

2    Menschlichkeit inmitten der Katastrophe     173

3    Der Sohn des Generals    180

Teil C    Perspektiven

1    Südafrikas Anklage    186

2    Der Ben-Gurion Kanal    190

3    Großer und kleiner Bruder    192

4    Ibn Chaldun, Asabiyya und die Huthis    195

5    Mitte der Erde – Spiegel der Welt    200

Anhang

1    Persönliche Transparenz     204

2    Kritik und Grenzen der Kritik    209

3    «Existenz-Recht»    214

4    G.W.F. Hegel «Der Geist des Christentums»    216

4    Methodische Nachgedanken     219

 

    Anmerkungen    221

    Literatur

 

Vorwort

Nach dem Angriff der Hamas gegen Israel am 7.Oktober 2023, ging Israel zum Gegenangriff über und zwar in einer Größenordnung, dessen Zerstörungswucht mindestens 50 Mal so massiv war, wie alles, was an Greultaten am 7. Oktober geschehen ist. Die Wut einiger israelischer Politiker überschlug sich und richtete sich nicht nur gegen die Hamas, sondern gegen die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens. Der Präsident Israels erklärte, dass die Zivilisten in Gaza legitime Ziele seien, da sie sich als menschliche Schutzschilde vor die Hamas-Kämpfer stellen würden. «Es ist eine ganze Nation da draußen, die verantwortlich ist. Es ist nicht wahr, dass die Zivilisten nichts davon wussten und nicht beteiligt waren. Das ist absolut nicht wahr.»  Mit ähnlicher Begründung verkündete Yoav Gallant, Israelischer Verteidigungsminister:  «Es wird für die Menschen im Gazastreifen keinen Strom geben, keine Nahrungsmittel, kein Wasser und keinen Treibstoff. Alles wird gecancelt. Wir kämpfen gegen Tiere in Menschengestalt. Und wir werden angemessen reagieren. Gaza wird nicht mehr zu dem zurückkehren, was es einmal war. Wir werden jeden eliminieren.» Oder Giora Eiland, ehemaliger Leiter des israelischen Sicherheitsrates: «Eine massive humanitäre Krise in Gaza zu schaffen, ist ein notwendiges Mittel, um unser Ziel zu erreichen, dass die Hamas uns niemals mehr angreifen wird. Gaza wird ein Ort werden, an dem kein Mensch mehr existieren kann.» Galit Distel Atbaryan, Mitglied der israelischen Knesset, ehemalige Informationsministerin: «Die Gaza-Monster werden zum südlichen Zaun fliegen und versuchen, ägyptisches Gebiet zu betreten, oder sie werden sterben. Gaza sollte ausgelöscht werden.» In «The Times of Israel», äußerte ein rechtsextremer Minister:  «Atomwaffen auf Gaza sind eine Option, die Bevölkerung sollte nach Irland oder in die Wüste gehen.» Ein anderer: «Gaza muss sich in Dresden verwandeln.» 

Genau so wurde es dann umgesetzt. Die Zerstörung von Gaza beträgt ein Vielfaches der Zerstörung Dresdens und Hiroshimas.

Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres meldete sich zu Wort und verurteilte den Anschlag der Hamas. Er sagte allerdings auch, dass der Anschlag «nicht in einem luftleeren Raum» stattgefunden habe, sondern die Palästinenser seit 56 Jahren unter «erstickender Besatzung» litten. Die Folge dieser Äußerung: Mehrere israelische Politiker reagierten mit heller Empörung auf die Äußerung des UN-Generalsekretärs. Der israelische Außenminister Eli Cohen warf dem Generalsekretär vor, in einer anderen Welt zu leben. Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Erdan, forderte Guterres zum Rücktritt auf. In Deutschland nannte der Journalist Henrik M. Broder Guterres einen «lupenreinen Antisemiten». 

Guterres hatte es gewagt, den Schutz von Zivilisten anzumahnen. Hatte Guterres etwas Falsches gesagt? Er hatte Israels Vorgehen im Gazastreifen als «kollektive Bestrafung» von Palästinensern kritisiert – also als einen Verstoß gegen internationales Recht, das Kollektivstrafen verbietet. Israels Außenminister Eli Cohen sah das völlig anders: «Nach dem 7. Oktober gibt es keinen Platz mehr für eine ausgewogene Position.» Die für die Tötung von mehr als 1.000 Israelis verantwortliche Hamas müsse «vom Erdboden vertilgt werden». 

Inzwischen (Ende Januar 2024) sind mehr als 30.000 Palästinenser getötet worden. Davon die Hälfte Kinder. Es geschieht «am hellichten Tag» und die Welt schaut zu. Wie kann das alles sein? Warum? Warum so viel unvorstellbares Leid? Gibt es keine Aussicht auf eine Lösung, mit der alle leben können, anstelle einer Endlösung des Todes?

 

 

Sehr verehrte Leser, verzeihen Sie, wenn ich an dieser Stelle den Bogen sehr weit spanne: Der Gautama Buddha gab auf die Frage nach der Ursache von Leid eine grundsätzliche, sehr tiefe Antwort, die auch heute noch gültig ist: In den Untergründen der Menschenseelen gibt es gewaltige Triebkräfte, die jedoch blind sind, solange sie nicht von Erkenntnis durchdrungen werden. Diese Triebkräfte seien im tiefsten Grund immer die Ursache von Leid. Meine Frage ist deshalb: Welche gewaltigen Triebkräfte sind in dem 100-jährigen Krieg in Palästina / Israel wirksam?

 

Ich werde in diesem Buch Erkenntnisbausteine herantragen, damit Sie als Leserin und Leser diese Steine verwenden können, um sich selbst – mit Buddha zu sprechen – «die richtige Meinung» und «das richtige Urteil» zu bilden, um daraus «das richtige Wort» und «das richtige Handeln» zu finden. Ich selbst maße mir nicht an, im Besitz der Wahrheit zu sein oder gar der einzigen Wahrheit. Ich möchte Ihnen wichtige Ergebnisse anderer Forscher vorstellen, die in der deutschen Öffentlichkeit relativ wenig bekannt sind. 

 

Mit der Wahrheit verhält es sich wie mit einem großen Berg: Es gibt sehr viele verschiedene Sichtweisen und Perspektiven auf einen Berg. Wer einen Berg nur von einem Standpunkt aus betrachtet, würde sich irren, wenn er glaubte, den Berg beurteilen zu können. Auch ich bin weit davon entfernt, den ganzen Berg aus verschiedenen Perspektiven und unter allen wesentlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Ich habe nur seit drei Jahrzehnten etliche Arbeiten jüdischer und arabischer Historiker studiert und möchte einiges davon berichten. Die Historiker, mit denen ich mich beschäftigt habe, sind in meinen Augen Giganten und – im positiven Sinne – auch «Nerds». Sie haben im Zuge ihrer Forschungen jeden Stein und umgedreht darunter geschaut. (Wobei viele Dokumente – vermutlich sogar 80 Prozent - nach wie vor klassifiziert und nicht zugänglich sind.) Einige derjenigen Historiker, die ich studiert habe, haben ihr Leben ihrer historischen Forschung geweiht und ihre Arbeiten schweren Bedingungen wie Krankheit oder massiven Anfeindungen abgetrotzt. Ich selbst habe auf ihrem Gebiet nie geforscht. Ich komme mir deshalb vor wie ein Zwerg, der auf die Schultern dieser Riesen klettert, dort ein kleines Fähnchen schwingt und ruft: Schaut einmal, was diese Giganten geleistet haben.

 

Mehrere Arbeiten, die meinen Horizont erweitert haben, zum Beispiel das 1300 Seiten starke Buch «The Empty Wagon» (Der leere Wagen) von Yaakov Shapiro oder das kaum weniger umfangreiche von Tony Greenstein «Zionism During the Holocaust» von 2022 oder manche Arbeiten von Ilan Pappé sind nicht ins Deutsche übersetzt worden und haben vermutlich auch nur geringe Chancen dazu. Umso mehr hat mich dieser Sachverhalt dazu ermutigt, auf das hinzuweisen, was diese Forscher zutage gefördert haben, zumal mir Freunde, denen ich von diesen Forschungsarbeiten berichtete, versicherten, all das nicht gewusst zu haben. «Das solltest du aufschreiben», sagten sie.

 

Vorab möchte ich noch benennen, dass ich zwar auf  verschiedene Strömungen des Judentums eingehe, aber etwas weniger auf solche des Islam. Der Grund für dieses Ungleichgewicht ist so simpel wie tragisch. Wie wir noch sehen werden, gäbe es den 100-jährigen Krieg nicht, wenn es den Zionismus nicht gäbe. Deshalb musste ich die Wurzeln des Zionismus  und sein Verhältnis zum Judaismus darstellen. Das, was ich zur Entstehung des islamischen Fundamentalismus in den Kapitel 29 und 41 dargestellt habe, schien mir für das Anliegen meines Buches ausreichend zu sein. Sollte ich mich in diesem Punkt irren, bitte ich um kollegiale Korrektur. 

 

Neben den sachlichen Informationen liegt das innere Zentrum meiner Arbeit in dem Versuch, zu verstehen und nicht bloß zu berichten und zu urteilen. Man kann ein Problem nicht lösen, wenn man es nicht richtig erkannt und identifiziert hat.  Aber Erkenntnis ist ein schweres Geschäft – im Unterschied zu schnellen Meinungen und im Unterschied zum politischen Kampf, der versucht, Fakten gezielt auszuwählen, zu frisieren und in den Dienst seiner Interessen zu stellen.

 

Im Unterschied zum politischen Kampf freue mich auf fundierte Korrektur, Kritik und weiterführende Gedanken. Wenig interessiert bin ich an Kommentaren von Menschen, die emotional aufschreien, sobald sie auf eine Perspektive stoßen, die ihrer eigenen widerspricht, insbesondere dann, wenn ihre persönliche Meinung kaum auf einem auch nur halbwegs seriösen Studium beruht. Abweichendes einfach niederzuschreien und zu diffamieren, ist in meinen Augen nicht der Wahrheit dienlich, sondern höchstens der Rechthaberei, politischen Interessen und oft sogar dem Geist der Lüge. Mir geht es nicht um Rechthaberei. Wenn ich Fehler gemacht habe, kann man mir das mitteilen und mich verbessern.

Ich schicke als letztes voraus, dass ich in dem folgenden Beitrag verantwortlich bin für das, was ich sagen werde. (Über weite Strecken werde ich nur referieren.) Ich bin auch verantwortlich dafür, wie ich das sage, was ich sagen werde. Aber ich bin nicht verantwortlich dafür, wie Sie das, was ich sagen werde, aufnehmen. Das liegt allein in Ihrer Verantwortung. 

 

 

Thun (CH), den 9. Februar 2024

 

    Einleitung: Der israelische Gandhi 

 

Joseph Abileah (1915 – 1994) wurde der israelische Ghandi genannt.  Als 1979 der Geiger Yehudi Menuhin den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, kam Menuhin am Ende seiner Dankesrede auf seinen Freund Joseph Abileah zu sprechen:

 

«Seit vielen Jahren kenne ich einen Israeli, der aller Friedenspreise würdig ist, die diese Welt zu vergeben hat: Joseph Abileah, ein Violinist aus Haifa, der mir die Ehre erweist, heute hier anwesend zu sein. Ein demütiger und bescheidener Mann, der fließend Arabisch spricht, hat es seit den frühen Tagen des Staates Israel mit Gruppen junger Israelis, Jungen und Mädchen, unternommen, die Wohnungen arabischer Dorfbewohner wiederaufzubauen, die von der israelischen Armee zerstört worden waren. Er hat, zusammen mit gleichgesinnten Männern und Frauen, viele durchaus praktische und praktikable Wege zu einer Mittel-Östlichen Föderation durchdacht.»

 

Zehn Jahre nach dieser Rede besuchte ich Joseph Abileah in Freudenstadt im Nordschwarzwald. Ich wollte wissen, warum die Stimmen so vieler großer Kulturschaffender wie Yehudi Menuhin zwar gewürdigt werden, aber letztlich nur einen geringen Einfluss auf die reale Politik in Israel haben. Ohnmächtige Kultur? 

Joseph Abileah war damals bereits an Krebs erkrankt und unterzog sich in Freudenstadt einer Kur und einer speziellen Diät. Er war nicht nur von kleiner, sehr zarter Statur, sondern in seiner Ausstrahlung – wie Menuhin sagte - ein unglaublich bescheidener Mensch. In unseren Gesprächen wurde mir schnell klar, dass er ein Mahatma war, eine große Seele.

 

Joseph Abileahs Eltern stammten aus einer alten russisch-polnisch-jüdischen Musikerfamilie. Er selbst war 1915 in Niederösterreich geboren. (Sein damaliger Name war Wilhelm Niswiszki.) In den 1920er Jahren wanderten seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern nach Palästina aus. Sie ließen sich in Haifa nieder und bauten dort ein Musikgeschäft auf. Sein Vater, Ephraim Abileah, 1885 geboren und hundertjährig 1985 gestorben, war einer der bekanntesten Pioniere der klassischen Musik in Palästina (in der Zeit vor der Staatsgründung Israels). Joseph Abileah wurde Profi-Musiker und war sein Berufsleben lang Geiger im Haifa-Symphony-Orchestra.  Aber die Musik war nur die eine Seite seines Lebens. Die andere war sein unermüdlicher, lebenslanger Einsatz für ein friedvolles Zusammenleben von Arabern und Juden. Joseph Abileah hielt von Anfang an die sogenannte «Zwei-Staaten-Lösung» für illusionär, für ein abwegiges, irreführendes Konzept. Stattdessen setzte er sich, wie auch Albert Einstein und Hannah Arendt, für eine jüdisch-arabische Konföderation ein, für ein Zusammenleben in einem Staat. «Warum keine Zwei-Staaten-Lösung?» fragte ich ihn. «Ein palästinensischer Staat wird zu klein sein. Er wird nicht überleben können. David Ben-Gurion sagte einmal, dass der jüdische Staat mindestens 80 Prozent des Landes besitzen und mindestens 80 Prozent der Bevölkerung stellen müsse, um auf Dauer lebensfähig zu sein. Mit nur 20 Prozent des Landes für die Palästinenser ist ein palästinensischer Staat völlig unrealistisch.» Aber neben diesem pragmatischen Gesichtspunkt gab es für Joseph Abileah einen viel wichtigeren Aspekt.

 

«Als wir Juden nach Palästina kamen», so erzählte er mir auf einem Spaziergang im Nordschwarzwald, «hätten wir es machen sollen wie William Penn, als der nach Amerika kam. William Penn habe den ‹Indianern› erklärt: ‹Wir kommen als Flüchtlinge, nicht als Eroberer. Wir werden in England aus religiösen Gründen verfolgt. Könnt ihr uns aufnehmen und uns Schutz gewähren?› Als die Einheimischen das hörten«, so Abileahs Fassung der Ausnahme-Geschichte, hätten sie Pfeil und Bogen weggelegt und die Frauen und Männer um William Penn willkommen geheißen. Man hätte friedlich zusammengelebt. Später habe man dann die Gegend zu Ehren von William Penn den ‹Wald des William Penn› genannt: Pennsylvania.» Abileah fuhr fort: «So hätten wir Juden es auch in Palästina machen sollen. Als meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern einwanderten, war es auch noch so. Wir Juden und Araber lebten friedlich zusammen. Auch in den Jahrhunderten vorher. Die Nachkommen derjenigen Juden, die nach der Vertreibung durch die Römer im Land geblieben waren, lebten später - unter der osmanischen Herrschaft – Jahrhunderte lang mit den Arabern in Palästina miteinander. Dann aber hatten immer mehr Einwanderer eine völlig andere Einstellung. Sie wollten einen jüdischen Staat. Schon in Europa hatte doch die Gründung von Nationalstaaten keine guten Folgen. Die Nationalstaats-Idee», so er klärte er mir, «war ein Fehler des 19. Jahrhunderts und wir haben diesen Fehler – sogar mit einem Jahrhundert Verspätung - noch einmal wiederholt.» 

Joseph Abileah sagte mir das vor mehr als 30 Jahren. Würde er es heute sagen, würde er vermutlich als Antisemit attackiert werden oder als «sich selbst hassender Jude». 

 

Am 27. Juni 1947 hatte Joseph Abileah einer UN-Kommission konkrete Konföderationspläne vorgelegt. Am 30. August 1948 war er in Haifa wegen Kriegsdienstverweigerung verurteilt worden. Er war damals der erste Kriegsdienstverweigerer Israels. Heute wird so etwas hart bestraft, aber 1948 kam Joseph Abileah mit einer milden Geldstrafe davon. Durch seine Aktion wurde er in Israel schlagartig eine Berühmtheit. Manche hielten ihn freilich für einen «Spinner». Wenig später rief Joseph Abileah die israelische Sektion von «War Resisters‘ International» ins Leben. Er selbst war zutiefst praktizierender Pazifist.  1971 gründete er zusammen mit Yehudi Menuhin und anderen Freunden die «Society for a Middle East Confederation», die sich für einen politischen Zusammenschluss Israels mit seinen arabischen Nachbarn einsetzte.

 

Nachdem 1987 die erste Intifada (ein als gewaltloser Widerstand geplanter palästinensischer Aufstand ) entstanden war, lud ich Joseph Abileah in meine damalige Schule nach Stuttgart ein. Ich organisierte eine kleine Tagung. Er sollte der Hauptredner sein zusammen mit einem arabischen Kollegen von mir, der praktizierender Moslem war. Die Oberstufenschüler der Michael-Bauer-Schule sollten – so dachte ich – verschiedene Perspektiven kennen lernen und vor allem den Geist der friedlichen Verständigung. Dr. Bruno Sandkühler moderierte damals die Gespräche und hin und wieder sprachen die drei Protagonisten arabisch miteinander, wenn sie das weitere Vorgehen klären wollten. Ob die kleine Tagung damals auf unsere Schüler einen nachhaltigen Eindruck machte, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber seit jener Zeit hat mich die Frage beschäftigt, warum die von Yehudi Menuhin und Joseph Abileah, Albert Einstein und Hannah Arendt und vielen anderen vorgeschlagene Konföderation nie umgesetzt wurde und die Zwei-Staaten-Lösung auch nicht. Warum stattdessen der nicht endende mörderische Irrsinn?

 

Noch verrückter wird es, wenn man in Israel vor Ort erlebt, wie gut jüdische und arabische Israelis miteinander leben und arbeiten können. In jedem israelischen Krankenhaus arbeiten jüdische und arabische Ärzte und Krankenschwester problemlos zusammen. «Die meisten hier wollen in Frieden zusammenleben», sagte mir einmal ein israelischer Kollege, «Ihr Europäer könnt euch von diesem Zusammenleben eine Ecke abschneiden.» Das stimmt. Nach einer Pause fragte ich meinen Kollegen: «Aber wenn man so gut zusammenarbeiten kann, warum dann die grausame Lage in den von Israel dauerhaft seit einem halben Jahrhundert besetzten Gebieten? Warum das brutale, mörderische Vorgehen gegen die Palästinenser im Westjordanland und in Gaza? Warum die furchtbaren gewaltsamen Konflikte ausgerechnet in einem Land, das zu einem friedlichen Zusammenleben aus verschiedenen Gründen berufen ist?» «Das ist eine lange und komplizierte Geschichte», sagte er. 

 

Es wurde für mich eine schockierende Geschichte, von der ich so vieles nicht wusste. 

 

Joseph Abileah starb am 29. Januar 1994. Zu seinem 30. Todestag und zu seinem Gedenken erscheint die in diesem Buch niederlegte Skizze.

Inhalt

    Vorwort    8

    Einleitung: Der israelische Gandhi     13

Teil A    Tragödie

1*    Wer ist ein Jude?     20

2*    Warum «Heiliges» Land?     23

3*    Die jüdische Mutter     25

4*    Felix Bartholdy    27

5*    Von der Religion zur Ethnie    29

6    Tora, Talmud und Messias     33

7*     Antisemitismus (1)    40

8*    Antisemitismus (2)    47

9     Antisemitismus (3)    52

10*    Zionismus     54

11*    Christlicher Zionismus in England     56

12    Christlicher Zionismus in den USA    59

13*    Neo-jüdischer Zionismus    61

14*    Ein Volk, eine Sprache, ein Staat    67

15    Netanjahu 2016, 2024    70

16*    Strategische Partner     74

17*    Antisemitismus (4)    78

18    Alle Mann an Bord    80

19*    Israel – ein Segen, dass es dich gibt!    82

20**    Schatten eines großen Lichts    86

21*    1917 - 1948    91

22*    Die Nakba    100

23    Das Thema «Nakba» in Israel.     103

24    1967     105

25    Die Siedlungen im Westjordanland    111

26    Die PLO-Charta     115

27*    Jeschajahu Leibowitz – das Gewissen Israels    117

28    Militarisierte Früherziehung    120

29*    Wurzeln der Hamas in Erfahrungen in den USA    125

30*    Tat twam asi    131

31    1973 bis 2023    135

32*    Operation «Gegossenes Blei»    143

33    7. Oktober 2023 (1)    150

34    7. Oktober 2023 (2)    154

Teil B    Befreiung

35    Die Realität mit eigenen Augen sehen    159

36    Menschlichkeit inmitten der Katastrophe     162

37    Der Sohn des Generals    169

Teil C    Perspektiven

38    Südafrikas Anklage    175

39    Der Ben-Gurion Kanal    179

40    Großer und kleiner Bruder    181

41    Ibn Chaldun und die Huthis    184

42    Mitte der Erde – Spiegel der Welt    189

Anhang

1    Persönliche Transparenz     194

2    Kritik und Grenzen der Kritik    199

3    «Existenz-Recht»    204

4    G.F.W. Hegel «Der Geist des Christentums»    206

5    Methodische Nachgedanken     209

 

Anmerkungen    213

Literatur    219

 

 

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